Donnerstag, 18. Oktober 2007

hÖhEnTrAiNiNg & cOwBoYsPiELcHeN

Als er seine Augen öffnete wusste er noch nicht, was ihn erwarten würde, nur eines war ihm glasklar, wie das ungewaschene Trinkgefäß auf seinem Schreibtisch – dieses Wochenende würde anders werden, als alle bisherigen Frei-, Sa- und Sonntage. Schnell die letzten notwendigen Dinge des täglichen Lebens eingepackt – Waschmaschine, Mirkowellenherd, Flugzeugträger, dreieinhalb abgezählte Blätter einlagiges Klopapier und ein 137 Tonnen Luftkissenboot – und schon konnte es losgehen...

Abermals öffnete er seine Augen, nein er hatte nicht geschlafen, dass tut er nie im Bus, er will es, kann es aber nicht. Uruapan, was für eine Stadt, nicht wirklich idyllisch war sie, aber die Unterkunft war günstig und was wollte er mehr, als ein sauberes und billiges Zimmer...

Diesmal hatte er geschlafen, bevor er seine Augen öffnete – viel zu kurz, aber er hatte geschlafen. Schon früh ging es los, raus aus Uruapan. Das hatte er nicht erwartet, Michoacán, der Bundesstaat in dem er sich befand, war das krasse Gegenteil der Stadt, seiner Ankunft. Die Landschaft, die Ruhe, alles fühlte sich plötzlich besser an. Schließlich war er ein Junge vom Lande. Da war es, das erste richtige Ziel der Reise, ein kleines Indiodorf. Hier standen sie schon bereit, die Männer mit ihren Pferden. Täglich warten sie darauf, dass der Bus auf´s Neue Touristen ausspuckt, Touristen die mit ihren Pesos die einzige Einnahmequelle darstellen.

...Heute hatte sich das frühere Aufstehen für Cornelio gelohnt. Drei Touristen spuckte der Bus aus und er war der erste der Pferde-Guides. Der grosse Lockige und das Pärchen, ein sonderbares Trio, aber das Geld stimmte, er würde am Abend mit genügend Geld heimkehren um für eine Weile über die Runden zu kommen...

...Er öffnete die Augen, obwohl er sie lieber hätte zugekniffen lassen wollen. Geritten war er noch nie, auch nicht seine zwei Gefährten und nun dieser steile, steinige Abhang hinab, und das auch noch auf dem schwankenden Rücken des Pferdes. Doch dann wichen die Steine und das Geröll langsam der schwarzgrauen Asche. In der Ferne konnte er ihn sehen, den Vulkan Paricutín. In nicht einmal drei Stunden würde er an dessen Fuss stehen. Doch bis dahin war es noch ein langer Ritt. Doch nach und nach verschmolz er, der sich immer mehr als Cowboy des wilden Westens fühlte, mit seinem schwarzen Hengst, der eigentlich gar nicht schwarz war, sondern braun und der auch nicht Fury hieß, sondern irgendwie anders, zu einer Einheit. Und irgendwann ritt er nicht nur im Trab dahin, sondern er flog im Galopp über die staubige Erde, die der Vulkan bei seinem Ausbruch 1943 ausspuckte. 1943, als innerhalb eines Jahres die Erde über 400 Meter in die Höhe wuchs und ein Wachsen begann, das bis 1952 nicht enden wollte. Als wäre es nicht genug der Anstrengungen, die ein stundenlanger Ritt mit sich bringt, startete das Höhentraining der drei Abenteurer erst richtig, als ein Schritt zu dreien wurde, als der Aufstieg auf den Vulkan begann, bis auf über 2900 Meter über dem Meeresspiegel. Doch die brennenden Schenkel, das schweißgetränkte Hemd, alles schien plötzlich in weite Ferne gerückt zu sein, vielmehr konzentrierten sich alle Sinne auf das erhebende Gefühl, das sich in ihm breit machte, als er die Aussicht über scheinbar grenzenlose Landschaften genoss. Er genoss jeden Augenblick, mit jeder Pore seines Körpers und noch nie schmeckte ihm Dosen-Thunfisch und Fertigkuchen besser, als auf dem Gipfel dieses Vulkans…

Er brauchte seine Augen nicht öffnen, so groß waren sie aufgerissen, als es an den schnellen und abenteuerlichen Abstieg ging, der eher einem Hinabrennen einer Wüstendüne ähnelte. Kaum hatte er das Lavagestein getreten, dass das alte Dorf bis auf rund fünf Meter überschwemmte zogen die dunklen Wolken groß und bedrohlich auf, eine passende Atmosphäre dachte er, denn vor ihm ragte das letzte sichtbare Zeugnis der menschlichen Siedlung vor ihm in die Höhe, es war der alte Kirchturm der Stadt…


Er öffnete die Augen, wieder und wieder. Und jedes Mal auf’s Neue, fand er sich in den folgenden Stunden und Tagen an anderen Orten wieder. Im Fischerdorf Patzcuaro mit seiner vom Tourismus belasteten aber lebenden Insel im See, in der wunderbaren Kolonialstadt Morelia

Sein Gefühl für Zeit wich einem Zustand des Aufsaugens aller Einflüsse, die auf ihn einströmten und verschiedener nicht hätten sein können.

Er öffnete die Augen, das Wochenende war anstrengender als die Vorherigen, aber noch immer nicht würde er es schaffen, im Bus zu schlafen. Nein er würde sich nicht darüber ärgern, dass er hätte lieber vier Euro mehr zahlen sollen, um nach vier Stunden wieder Jaliscos Hauptstadt Guadalajara anzukommen. Nein er würde sich nicht darüber ärgern, an jedem Dorf zu halten und über sieben Stunden im Bus zu sitzen. Denn er konnte sich beschäftigen. Alleine durch die Gedanken über die vielen wunderbaren Eindrücke des vergangenen Wochenendes, er hatte vieles Mitgenommen, das war sicher, auch wenn nichts Materielles. Aber viel Wertvolleres, nämlich seine Erinnerungen, schöne Erinnerungen. Nur auf eine hätte er verzichten können, auf sein schmerzendes Hinterteil vom exzessiven Cowboyspielen – ein Andenken, das er noch fünf Tage später spüren würde…

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Has descrito muy bien, exactamente.
;-)
hasta al rato muchacho