Samstag, 20. Oktober 2007

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An diesem Morgen riss ihn die nervöse Musik seines Handyweckers besonders unangenehm aus dem Schlaf. Schon zu oft hatte er sich gesagt, dass dieses whoowhoowhoo nicht gut war für ihn, zumindest nicht, zu morgendlicher Stunde. Mit einem Kraftakt quälte er sich, die vom Tränensalz umrandeten Augen zu öffnen. Mit verschwommenem Blick schwenkte er die Beine über den Bettrand. Nun erstmal verschnaufen.

Drei fast regungslose Minuten, in denen er sich immerhin zu einem kräftigen Katzenbuckel bequemte, vergingen. Er atmete tief ein und stemmte sich auf seine Beine. Viel zu schnell. Schwindel überkam ihn. Verdammt, viel zu kurz geschlafen. Andererseits war er aber froh, endlich wieder bei Sinnen zu sein, waren seine Träume doch mehr als beunruhigend. Aber wenigstens waren es nur Träume, Träume, die hoffentlich bald in den Tiefen seines Gehirns unwiederbringlich verschwunden sein würden. Nur eines machte ihm Sorgen, die Träume waren so real. Er hatte selten so schaurig real geträumt.

Wie dem auch sei, nun gab’ es Wichtigeres zu tun, seine Blase drückte. Schritt für Schritt näherte er sich seinem kleinen Bad, keine zweieinhalb Meter von seinem Bett entfernt. Warum lag das T-Shirt auf dem Boden und nicht in der Altwäschetüte, wo er seine getragenen Klamotten zum Saubermachen sammelte. Er bückte sich langsam und umständlich, nein, dass sah nicht aus wie die Handlung eines fast 24jährigen, er fühlte sich definitiv 50 Jahre älter – mindestens.

Kaum hatten seine Fingerspitzen den Baumwollstoff des T-Shirts berührt, versagten ihm seine Beine den Dienst. Mit aufgerissenen Augen ließ er seine 83 kg auf die Knie sinken, seine Hände fest auf die kalten Fließen seines Zimmers gepresst. Na klasse, so sahen die Übungen seiner Mutter in der Rückenschule aus. Doch das war ihm egal, denn nun war es ihm mit einem Mal klar, alle seine Sinne schienen auf Hochtouren zu laufen, seine Nase nahm den leicht salzigen Geruch seines am Vorabend getragenen Shirts auf. Langsam strich er mit seinem linken Zeigefinger über den noch feuchten Stoff. Er hatte nicht geträumt.

Vergessen waren alle schmerzenden Gelenke, hinweggefegt war die Müdigkeit. Jetzt könnte er einen Tequila gebrauchen, nein, besser drei. Von diesem Schock würde er sich vorerst so schnell nicht erholen können. So einiges hatte ihm in den vergangenen Monaten vor seiner Abreise nach Mexiko so richtig zugesetzt, aber immer hatte er seine Gefühle wieder ordnen können. Doch diesmal schien alles anders. Plötzlich wollte er nur noch eines, duschen. Er ekelte sich vor sich selbst, er war angewidert von seiner unglaublichen Tat. Er hatte es tatsächlich getan. Keine 12 Stunden her, war es.

Er hatte seine Seele verkauft. Was würden sie sagen, seine Freunde? Wie würden sie über ihn urteilen, über ihn, der leidenschaftlich mit ihnen in die Würzburger Diskothek Laby ging, um sich, wenn überhaupt, nur bei schwerer, aggressiver Gitarrenmusik zu bewegen. Er hatte seine Seele verkauft, an alle verdammten Ricky Martins dieser Welt, an alle verfluchten Enrique Iglesias’. Und das Schlimmste war: Er hatte es genossen. Er hatte es genossen, seine ersten Salsa-, seine ersten Merenque-, seine ersten Son-Cubanos-Schritte zu machen. Er hatte es genossen, sich zu dieser für ihn so ungewohnten Musik zu bewegen… Oh Gott, wie würde er nur mit dieser Last weiter leben können, denn er wusste, an diesem Abend würde er wieder den Weg in den Tanzkurs finden. Er musste es irgendwie schaffen. Mit einem schnellen Blick zum Computer hatte er nur noch ein Bedürfnis. Er musste sich reinigen. Äußerlich mit einer kalten Dusche, innerlich, mit SEINER Musik, mit seiner Labymusik, die mit schnellen Riffs und tiefem Gesang seine Seele reinwaschen sollte…



1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

...ich wusste gar nicht, dass Salsa tanzen sooolch schlimme Nachwirkungen haben kann... hört sich ja heftiger an als jeder Rausch... ;o)