Dienstag, 18. September 2007

eL gRiTo

Als junger, unschuldiger, naiver, aber überaus strebsamer und wissbegieriger Neubürger einer mexikanischen Großstadt, mag man sich vielleicht fragen, warum die Menschen hier doch hin und wieder überaus bauchfokussiert proportioniert sind. Nun gut, manche der Wohlbeleibten sind schwanger, immerhin bekommt die mexikanische Frau im Schnitt 2,42 Kinder. Zweieinhalb Kinder benötigen natürlich mehr Platz, als vergleichsweise 1,33 deutsche Wonneproppen. Da darfs dann schon mal ein Bisl mehr sein :-) Spass beiseite, dies hier ist schließlich ein ernstes Thema in einem ersten Blog!

Wo waren wir stehen geblieben...
...
ach ja...
Andere mögen wiederum meinen, das liegt nur an der Körpergröße der Bevölkerung. Es ist auch nicht mehr Gewicht, als bei so manch einem Zwei-Meter-Mann, aber wenn der ganze Speck dann auf 1,50 Meter kompromiert werden muss, tja, dann wächst man automatisch in die Breite. Wiederum könnte man gelegentliche Körperfülle auch auf die überaus energiereiche Nahrung zurückführen, schließlich ist es hier nicht unüblich, auch mal zum Frühstück das Gleiche zu essen, wie Mittags oder Abends, also Fleisch, Maisfladen und natürlich viiiiiieeeeel Käse, denn irgendwie muss man ja etwas gegen die Chilischärfe tun (weniger Chili geht nicht, man ist ja schließlich nicht irgendwo, sonder im Land der Chilis).

Nun denn, es gibt viele plausible Erklärungen, doch nur eine Erklärung scheint korrekt zu sein: Durch permanente Bauchatmung dehnt sich der Bauch immer weiter aus. Natürlich ist dies sehr anstrengend und erfordert jahrelanges Training. Durch die konservative Lebenseinstellung der Mexikaner und des dadurch verbundenen Bauch-Frei-Tabus denken viele Aussenstehende, es handle sich um Fettbäuche, in Wahrheit ähnelt die Anatomie unter dem T-Shirt aber eher einem Medizinball mit Sixpack. "Wieso?", wird man sich nun vielleicht fragen, die Antwort ist simpel. Es geht hier um "El Grito", zu deutsch "Der Schrei".
Nein, es handelt sich nicht wirklich um, Munch's berühmtestes Werk, das nebenbei erwähnt 2004 gestohlen, 2006 jedoch wieder aufgetaucht ist (allerdings schwer beschädigt und auf Grund gravierender Feutigkeitsschäden nicht restaurierbar).

Es handelt sich um eines der wichtigstens Ereignisse Mexikos. Den "Grito de Indepencia" der Ausruf der Unabhängikeit Mexikos, der jährlich am 15. September gefeiert wird (Auch wenn die Unabhängigkeit von Spanien bereits 1810 erklärt worden war, wurde sie erst durch den Vertrag von Cordoba am 24. August 1821 besiegelt, aber das ist egal und für Mexikaner nicht relevant). Eben an diesem besagten Feiertag versammelt sich das ganze Volk vor den Rathäusern der Städte, um die errungene Unabhängigkeit von den "Paella-Fressern" (der Spruch ist nicht von mir!!!) zu feiern und symbolisch auf das Neue auszurufen, ebenso ein "Lang lebe" auf die Heroen vergangener Tage, die für die Unabhängigkeit kämpften.

Und um eben möglichst laut, einmal im Jahr (ok, und im Straßenverkehr, bei Fußballspiel, beim hier sehr beliebten Wrestling und auch sonst immer und überall) brüllen zu können, ist es für die Mexikaner unerlässlich eine voluminöse, durch Bauchatmung kraftvolle Stimme zu haben. Für alle, die mehr auf ihr Äußeres achten, VIVA BAUCHFREI, oder genetisch bedingt nicht zum Bauatmungsbauch neigen, besteht aber am 15. September die Möglichkeit, neben Essen, Kunsthandwerk und vor allem Tonnen an Kitsch, Millionen von, für deutsche Ohren extremst penetrante, Tröten zu kaufen, in allen Formen, Größen und Tonlagen... und natürlich angemalt in den Farben der National-Flagge (grün, weiß, rot). So wie übrigens auch alle öffentlichen Gebäude der Innenstadt in den Nationalfarben angestrahlt sind. Nachdem dann möglichst viel Lärm gemacht wurde, kommt es dann nach dem Singen der Nationalhymne zum Highlight des Abends, zum großen (wenn ich groß sage, dann meine ich seeeehr groß) Feuerwerk. Vielleicht wäre das Feuerwerk dieses Jahr noch größer geworden, wären auf einem Hausdach nicht ein paar Feuerwerksbatterien umgefallen, die dann den Funkenregen auf die unten stehende Menschenmenge, statt in die Luft prasseln ließen (keine Angst, es ist nichts passiert und die Panik war auch nur kurz...na gut, etwas Angst hatte ich schon, aber nur weil ich so sensibel bin :-)) Aber schön und vor allem lange war's trotzdem.

Nachdem dann jeder Mexikaner seinen Bürgerpflichten nachgegangen ist, geht man dann in Ruhe nach Hause...oder fängt sofort an, für das nächste Jahr zu trainieren und schreit nach dem nächsten Taxi, das einen in die Disco fährt. Im Taxi ist man aber nicht allein, Mexikaner sind Rudeltiere und da man weltoffen ist, nimmt man auch gerne Deutsche mit, sodass man dann zu acht, der Polizei zuwinkend, durch die Stadt fährt. Acht inklusive Taxifahrer, versteht sich, obwohl der Kofferraum auch noch frei gewesen wäre (Großraumtaxis gibt's hier nicht). Und da man ja in Mexiko Musik liebt, schallt dann auch gleich Banda in voller Lautstarke aus den kaputten Boxen. Aber kein Problem, man hat ja jahrelang geübt und kann sich durch schreien verständigen :-)

Anbei einige Zeitzeugendokumente des Grito. Leider hatte ich meine Kamera nicht dabei, aber die Videos zeigen trotzdem wie's war...außer der Taxifahrt :-)

El Grito in Mexico City


El Grito in Guadalajara 2006 (2007 war's genauso, außer, dass auch VIVA GUDALAJARA geschriehen wurde)

El Grito in Guadalajara, eine Minute des langen und großen, aber größer sein könnenenden (danke umgekippte Feuerwerksbatterien) Feuerwerks

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