Dienstag, 25. September 2007

vAmOs A La pLaYa

Sie sind gestresst? Sie sind abgestumpft, vom Lärm und Trubel um Sie herum? Sie fühlen sich kraft- und antriebslos? Oder Sie halten sich für Sven Hannawald und Ihr Pressesprecher (wahlweise auch Lebensabschnittsgefährte oder ein zufällig dazu gezwungener Passant in der Fußgängerzone) verliest eine Erklärung über Ihren momentanen Zustand, der mit dem mysteriösen Begriff des Burn-Out-Syndroms in Verbindung gebracht wird? Oder Sie sind ein internationaler Student der gerne aus dem heißen Guadalajara weg möchte, vorzugsweise an die noch heißere Pazifikküste? Dann auf an den Strand! Wann? Morgen? Ok! Wo schlafen? Keine Ahnung? Halb so wild, es wird sich schon was vor Ort finden! Wie? Mit dem Bus vielleicht? Ok, also auf zum Bus, 30 Euro und los geht’s, im auf Minusgrade herunter gekühlten, Reisebus. Neben dem Versuch, sich nicht Schockfrosten zu lassen, kann man sich vorzüglich durch den Genuss aktueller Kinofilme (die gezeigten Raubkopien sind teils von wirklich empfehlenswerter Qualität) vom Fahrstil des Herren hinter dem Steuer ablenken. Abzuraten ist von der Lektüre von Büchern oder Universitätsaufsätzen, das lässt kein westeuropäischer Magen zu, nicht bei dem Tempo, mit dem der Bus durch die Serpentinen „fliegt“. Der Blick aus dem Fenster lohnt, solange man nicht durch, am Straßenrand befindliche, Kreuze oder kleinere Friedhöfe an den Fahrstil der Herren hinter dem Steuer erinnert wird.

Erste Reiseetappe stellt Puerto Vallarta dar. Also raus aus dem Kühltransport und erstmal gegen eine Hitzewand gerannt. Wasserflasche ansetzen und für die nächsten dreieinhalb Tage nicht mehr absetzen, denn wie das Wasser durch den Mund eintritt, tritt es durch die Hautporen wieder aus. Puerto Vallarta ist einMitte des 19. Jh. gegründetes Fischerdorf (heute ca. 170 000 Einwohner), welches zusammen mit Cancun und Acapulco zu den wichtigsten Strand-Tourismus-Zielen des Landes zählt. Schöne Ecken gibt es in Puerto Vallarta zuhauf, ebenso wie hässliche Hotelbauten am Strand und von Villen überquellende Hänge. Doch für 7 Euro zu übernachten, dass sollte man sich nicht entgehen lassen. Am folgenden Tag bietet sich die einstündige Fahrt weg vom total nordamerikanisierten Puerto Vallarta an.

Zweites Etappenziel ist Sayulita. Mit seinem rund 1 700 Einwohnern ist dieses Fischerdorf schon wesentlich sympathischer, als das „Ami-Malle“ (wobei es in Puerto Vallarta bis auf Spring-Break-Zeiten, wesentlich kultivierter zugeht, als im richtigen Malle). Nach einer Ehrenrund durch das Dorf findet sich dann auch eine Bleibe für den gestressten Stundente von Welt, über dem Restaurant vom Argentinier, namens Victor. Schnell wird klar, Syulita ist der Geheimtipp für Rucksacktouristen alias gestresste Studenten von Welt, Surfer, und Althippies, die gerne mit ihren schätzungsweise 10 000 000 000 000 Hunden am Strand spazieren gehen. Auch die ein oder andere gescheiterte Existenz kann man hier in Syulita bestaunen (dies ist aber nur eine subjektive Einschätzung). Spektakulärer sind aber definitiv die Pelikane, die sich aus luftigen Höhen auf die Fische knapp unter der Wasseroberfläche stürzen. Und als Schmankerl gibt es in Sayulita einen wunderschönen Sonnenuntergang.

Wer am folgenden Tag eine kleine Wanderung durch den Dschungel unternimmt, ohne zu wissen wo der Waldweg hinführt, der bekommt einen ganzen Strand für sich allein. Vorbei am Playa de los Muertos (benannt nach dem nahe gelegenen, mitten im Wald liegenden Friedhof) Berge hoch und Berge runter und irgendwann steht man vor einem Schild, das den Playa Carricitos ankündigt. Nachdem man dann den abenteuerlichen letzten Trampelpfad gemeistert hat, steht man in einer kleinen Bucht, die man sich nur mit einem jungen, in einem Igluzelt lebenden, Hippie teilen muss. Das verlassene Haus zur Rechten lädt zum Verweilen und Dinieren im Schatten ein, während man die vielen, flinken Krebse auf den Felsen bestaunt, Frisbee spielt und sich nebenbei einen bösen Sonnenbrand einfängt. Anschließend noch ein Sprung in das warme Nass des Pazifiks. Dabei wird findet man schnell Gefallen am Bodysurfing, dem Surfen ohne Surfbrett. Wo gehobelt wird fallen jedoch bekanntlich Späne, das merkt man, wenn man von der ersten Drei-Meter-Welle über den Strand geschmirgelt wird (haha Thomas).

Wunden lecken kann man dann abends mit einer 1,1 Liter-Flasche Rum, die ganze 2,65 Euro gekostet hat. Danach ist man gewappnet für die Reggae-Party in der kleinen Kneipe la Bicicleta. Der Regen kommt dann auch nicht ungelegen, denn einige der Anwesenden könnten ruhig mal des Öfteren duschen. Auf dem Nachhauseweg verwandelt der Regen Sayulita in das Klein-Venedig Mexikos, sodass nur das „Ausleihen“ eines Sonnenschirmes beim Nahe gelegenen, aber leider schon geschlossenen, Taco-Stand hilft. Auf das Ausschlafen freut man sich vergeblich, nachdem man zart aus dem Schlaf gesungen wurde, von zwei direkt nebeneinander aufgebauten und konkurrierenden Markständen. Den einzigen zwei Marktständen, die (Raubkopien) Musik und Filme anbieten, auf dem einzigen Markt der Stadt, genau auf der Straße vor dem Restaurant.

So bleibt letzten Endes nur das Ruhen im Reisebus auf dem rund 300 km langen Rückweg, schockgefrostet schläft es sich sowieso besser. Noch ein letztes Mal tschüss Strand, tschüss kleine Gekkos, die ihr überall an den Wänden klebt, tschüss coole Surfer, tschüss Hippies. Hallo Guadalajara…mi Perla del Occidente.



Pelikane am Mittagstisch


Flinke Babykrabben


Disco-Markt

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